Seit nunmehr 15 Jahren existiert sie – 2010 entstanden aus den bis dato selbständigen Raiffeisenbanken Karlstadt-Gemünden, Lohr und Marktheidenfeld.
Ein Interview mit den beiden Ex-Vorstandsvorsitzenden.
Was zusammengehört, findet zusammen. Ein leicht abgewandeltes Bibelzitat könnte man auch auf die Raiffeisenbank Main-Spessart anwenden. Hat es diese Genossenschaftsbank nicht schon viel länger gegeben, fragt sich der eine oder andere Kunde. Tatsächlich unterzeichneten bereits 1999 die damaligen Bankvorstände der seinerzeit selbständigen Genossenschaftsbanken Karlstadt-Gemünden eG, Lohr am Main eG und Marktheidenfeld eG eine Vereinbarung mit der Zielsetzung, dauerhaft leistungsfähig zu bleiben. Im Bewusstsein, dass kein Weg an einem größeren Verbund vorbeiführen würde. Mit Beginn des neuen Jahrtausends starteten die ‚Raiffeisenbanken Main-Spessart‘ gemeinsame Kundenveranstaltungen im Bereich Sport, Kultur und Politik, vereinheitlichten ihre Produktpalette und verabschiedeten beispielsweise auch gemeinsam ihre Azubis nach den erfolgreichen Prüfungen. Eine mögliche Fusion war schon fürs Jahr 2006 angedacht, doch eine Rezession kam dazwischen mit einer Immobilien- und Baukrise – deshalb verschob man das Thema noch etwas in die Zukunft. 2008 bis 2010 wurde dann mit Nachdruck am gemeinsamen Ziel gearbeitet, erinnern sich die beiden ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Helmut Kraft und Michael Zeuch in einem Interview mit unserer Redaktion.
Inhalt
Warum gingen die drei Raiffeisenbanken zusammen, statt wie bisher selbständig aufzutreten?
Helmut Kraft: Als größere Bank konnten wir ganz anders agieren, auch dem wachsenden Mittelstand adäquate Kreditangebote unterbreiten. Es ermöglichte uns auch einen viel höheren Spezialisierungsgrad. Vorher war ein Bankangestellter ein Allrounder, der Kundengespräche führte, Kredite vergab, am Schalter tätig war. Nun wurde es möglich, eine Marketing- oder Kreditabteilung zu bilden, einen Bereich für Privatkunden und das Firmengeschäft und sich professioneller um das fortschreitende Online- und Telefonbanking sowie beispielsweise Controlling und Digitalisierung allgemein zu kümmern.
Das klingt auch aus heutiger Sicht völlig vernünftig. Wie war nun Ihr Vorgehen?
Helmut Kraft: Zunächst musste unser Prüfungsverband, der Genossenschaftsverband Bayern, dahinterstehen, denn es änderte sich das Risiko und es stand auch die Frage im Raum, ob wir die Kompetenz für so einen Schritt haben. Wir lieferten eine Machbarkeitsstudie. Normal ist ein organisches Wachsen, dann gehen auch mal zwei Banken eine Banken-Ehe ein. Aber hier wollten wir mit einem Schlag zwei Wachstumsschwellen überspringen – das war ein echter Ruck! Die Bilanzsumme je Bank lag bei rund 400 Millionen Euro. Mit dem Zusammenschluss würde die zweitgrößte Genossenschaftsbank in Unterfranken nach der VR-Bank Würzburg entstehen – mit einer Bilanzsumme von rund 1,1 Milliarden Euro, über 2 Milliarden Euro betreutem Kundenvolumen und über 30.000 Mitgliedern.
Ein großer Wurf also. Die Richtung war klar, aber lässt sich eine derartige Fusion ohne weiteres verwirklichen? Bei einer Genossenschaftsbank haben viele mitzureden – und mitzuentscheiden.
Michael Zeuch: Die Vertreter mussten bereit sein, diesem Vorhaben zuzustimmen. Und der Aufsichtsrat, in dem neben Mittelständlern auch Bürgermeister vertreten sind. Ein Knackpunkt war z. B. die Rivalität zwischen Lohr und Karlstadt, denn damals saß noch der Stachel drin, dass Lohr den Kreissitz verloren hatte. Bei der Raiffeisenbank Main-Spessart sollte der Verwaltungssitz nach Lohr gehen und die aufnehmende Bank die Raiffeisenbank Karlstadt-Gemünden sein.
Für Kunden dürfte doch der Verwaltungssitz nachrangiger, eine gute Beratung dagegen wichtig sein – warum trotzdem Lohr?
Michael Zeuch: Sachgründe haben dafür gesprochen: Die Raiffeisenbank Lohr hatte bereits mit Frammersbach fusioniert. So war sie die größte Bank und hatte auch die meisten Mitglieder. Und das vorhandene Bankgebäude in der Rechtenbacher Straße erfüllte ebenfalls die Voraussetzungen für den Verwaltungssitz. Tatsächlich ging es uns auch um Kompromisse.
Helmut Kraft: Voraussetzung für das Gelingen waren Verhandlungen auf Augenhöhe. Da ging es um die Zusammensetzung von Vorstand und Aufsichtsrat, die Besetzung der 2. Führungsebene, übernehmende bzw. übertragende Bank und schließlich auch um den Sitz der gemeinsamen Bank, was natürlich der von Michael Zeuch zitierte „Knackpunkt“ war. Letztendlich sprachen Sachargumente für Lohr als Verwaltungssitz. Die Fusionsverhandlungen wurden von den seinerzeit sieben Vorständen der drei Banken geführt. Verhandlungsgeschick und Kompromissbereitschaft waren notwendig, um die jeweiligen Interessen unter einen Hut zu bringen.
Wie haben Ihre Mitarbeiter auf die bevorstehenden Veränderungen reagiert?
Michael Zeuch: In den Banken hatten unsere Mitarbeiter ja schon jahrelang kooperiert. Durch die Fusion wollten wir Synergieeffekte erzielen. In unseren damals 46 Standorten waren 368 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Rein rechnerisch hatten wir aber 35 Personen ‚übrig‘, sprich keine Planstelle für sie. Es wurde betont, dass es keine einzige betriebsbedingte Kündigung geben wird. Angst um den Arbeitsplatz musste sich keiner machen, denn durch die Fusion kamen jede Menge Zusatzarbeiten auf die Belegschaft zu. Ich führte mit allen direkt Betroffenen ein Gespräch und machte ihnen klar, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis wieder jeder eine Planstelle erhält.
Helmut Kraft: Was in unserer Verantwortung lag, da haben wir auch Wort gehalten. Wir sind immer für Wahrheit und Klarheit eingetreten. Natürlich standen Veränderungen für Einzelne an, die vielleicht andere Karrierepläne hatten oder sich vielleicht räumlich verändern mussten. Dafür leisteten wir beispielsweise Ausgleichszahlungen, haben mit Kilometergeld abgegolten, wenn etwa ein Mittelsinner nicht mehr in Langenprozelten, sondern fortan in Marktheidenfeld arbeiten sollte.
Nachdem die Mitarbeiter und auch die Aufsichtsräte Bescheid wussten, musste auch in den Vertreterversammlungen der jeweiligen Raiba abgestimmt werden. Wie lief es dort?
Helmut Kraft: Es war satzungsgemäß jeweils eine Zustimmung von 75 Prozent vonnöten. Im Mai 2010 ging es in die entscheidende Phase: Die Vertreterversammlungen der Genossenschaften bekamen den Fusionsvertrag zur Zustimmung vorgelegt. Kritische Stimmen im Vorfeld waren kaum zu hören, denn die guten Zahlen aller drei Genossenschaften sollten eine Entscheidung zu dieser „Fusion auf Augenhöhe“ erleichtern. In den drei Vertreterversammlungen wurde zusammen eine 92-prozentige Zustimmung erzielt, lediglich in Marktheidenfeld klappte es erst im zweiten Anlauf, um den Weg frei zu machen für die Bankenehe. Ausschlaggebend war eine Arbeitsplatzgarantie und auch, dass alle 46 Geschäftsstellen bestehen bleiben. Die Fusion wurde im August 2010 umgesetzt und trat rückwirkend zum 1. Januar 2010 in Kraft.
Wie war Ihr Verhältnis zueinander in diesem wichtigen Entscheidungsprozess?
Michael Zeuch: Wir hatten uns aus der Bank heraus kennengelernt und haben uns permanent gegenseitig ausgetauscht und vertraut. Die Chemie hat einfach gepasst, auch wenn es schon mal ‚gefunkt‘ hat. Wenn es mal zu einer Meinungsverschiedenheit gekommen ist, dann haben wir das nicht am Telefon ausgetragen, sondern bei einem persönlichen Gespräch aus dem Weg geräumt. Der klare Fokus lag darauf: Wir wollen es zusammen stemmen.
Das hat ja offensichtlich geklappt. Hatten Sie sich persönliche Ziele gesetzt?
Helmut Kraft: Ja, ich wollte am 31. Dezember 2015 mit dem Eintritt in meinen Ruhestand 40.000 Mitglieder bei der Raiffeisenbank Main-Spessart. Das hat geklappt.
Michael Zeuch: Und es erfüllte sich auch mein Wunsch, als ich mich 2018 verabschiedete, die Zahl von 44.444 Mitgliedern zu erreichen.
Wie soll es aus Ihrer Sicht mit der Raiffeisenbank Main-Spessart weitergehen?
Michael Zeuch: Aus meiner Sicht müssen wir in Main-Spessart genau das weitermachen, was wir bisher tun. Es braucht definitiv keine größere Einheit. Die Nähe, die wir geschaffen haben, trotz dieser Dreierfusion – das ist ein absolutes Plus für die genossenschaftliche Idee. Und die wird bei uns noch gelebt!
Helmut Kraft: Ich sehe ebenfalls keine Notwendigkeit für eine größere Einheit. Die Raiffeisenbank hat sich toll weiterentwickelt und steht gut da mit vernünftigen Zahlen. Das bilanzielle Eigenkapital ist von knapp 70 Millionen auf mittlerweile nahezu 200 Millionen gestiegen. Die Bank hat an Stärke gewonnen. Hut ab vor dem heutigen Management der Bank, aber ich muss auch sagen: Ihr habt was Gutes in die Hände bekommen und habt es gut weiterentwickelt. Die Raiffeisenbank Main-Spessart ist eine Adresse, auf die wir wirklich stolz sein können. Ich würde alles wieder so tun. Wir haben zum richtigen Zeitpunkt gehandelt, aus einer Position der Stärke heraus – der Reifegrad dafür war vorhanden, um gemeinsam noch stärker zu werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
