Der Dreikampf gegen sich selbst

In Lohr hat sich ein Sport etabliert, der zwar der Männerdomäne Fitness- und Krafttraining entsprungen ist, aber auch erstaunlich viele Frauen anzieht: Powerlifting. Ein Besuch.

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Man muss zäh sein. Powerlifting ist also auch eine Lebensschule.

Kraftdreikampf

Powerlifting ist ein Kraftdreikampf, der sich aus Bankdrücken, Kreuzheben und Kniebeugen zusammensetzt. Bei Wettbewerben nehmen die Athleten in allen Disziplinen jeweils drei Anläufe, der beste Versuch geht in die Wertung ein. Aus der Addition ergibt sich schließlich das Resultat. Zu seinen Hoch-Zeiten kam der Rechtenbacher Peter Herteux auf rund 600 Kilogramm. Nur für einen Moment, nicht länger, lässt Peter Herteux auf einmal die Hüften kreisen. Es ist ein Augenblick, in dem man beinahe meinen könnte, der 57-Jährige aus Rechtenbach sei ein Bauchtänzer. „Das ganze Paket muss passen, sonst wackelst du rum“, sagt Herteux, beugt die Knie und macht genau das: wackeln.

Darauf kommt es an

Ein Nachmittag in diesem Sommer, Herteux steht im Keller eines Lohrer Fitnessstudios und erklärt, worauf es beim Powerlifting ankommt, dem Sport, dem er sich vor nunmehr 13 Jahren verschrieben hat. Was Herteux meint, ist: Es braucht eine gewisse Rückenmus­kulatur, der Rumpf muss stabil sein, Arme und Schultern, alles im Einklang – nur dann kann man bankdrücken, kreuzheben und kniebeugen. 

Zu seinen besten Zeiten stemmte Herteux in allen drei Disziplinen jeweils rund 200 Kilogramm. Im Laufe seiner Karriere nahm er an drei Europameisterschaften teil und hat inzwischen derart viele Medaillen von deutschen Endrunden im Trainingsraum in seinem Keller hängen, dass er die Zahl nicht einmal schätzen kann. 2019 hat Herteux den Lohrer Powerlifting-Verein gegründet, bis heute ist er das Aushängeschild des Klubs, doch die Besonderheit seines Sports ist: Er zieht gleichermaßen auch Frauen an. In Lohr gibt es ebenso viele weibliche wie männliche Mitglieder, darunter Stefanie Bils. Auch sie ist an diesem Nachmittag ins Fitnessstudio gekommen und hält ihren Sohn auf dem Arm. Als Bils vor sechs Jahren zum Powerlifting kam, sah sie sich gleich einer ganzen Reihe an Vorurteilen ausgesetzt. Ob sie das denn wirklich vorhabe, wurde sie gefragt. Da gehe doch bestimmt die Weiblichkeit verloren. Ob sie denn etwa aussehen wolle wie ein Kerl. All das wurde ihr entgegengeschleudert, und es hätte sie durchaus davon abbringen können, ihren Weg zu gehen.

"Ich habe mich verliebt"

Aber Bils ließ die Vorurteile Vorurteile sein und die Skepsis Skepsis. Sie hörte auf ihr Herz und versuchte sich trotz aller Ressentiments dennoch im Bankdrücken, Kreuzheben und Kniebeugen. Heute ist Bils ausgebildete Trainerin und derart Feuer und Flamme vom Powerlifting, dass sie an diesem Nachmittag in Lohr sogar sagt: „Ich habe mich verliebt.“

In den Jahren zuvor habe sie „vieles ausprobiert“, erklärt sie, „aber es war nie so, dass es mich gepackt hat.“ Erst Powerlifting erfüllte sie. Bis heute gibt ihr der Sport viel, zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass sie auch selbst viel gibt. Powerlifting erfordert Geduld. Man muss zäh, diszipliniert und nicht nur in den Armen, sondern gerade auch im Kopf ausgesprochen stark sein, um Fortschritte zu erzielen. Vor diesem Hintergrund könnte man es sogar noch etwas höher einhängen und sagen: Powerlifting ist auch eine Lebensschule.

„Es kommen immer mal wieder welche dazu“, sagt Bils, „sie kommen dann zu uns und machen Pläne, ziehen es aber nicht durch.“ In gewisser Weise seien die Übungen zwar „monoton, weil es sich immer wiederholt“, gesteht Bils, „aber nur so erreichst du halt was.“ Um besser zu werden, braucht es das Immergleiche. Bankdrücken, Bankdrücken, Bankdrücken. Kreuzheben, Kreuzheben, Kreuzheben. Kniebeugen, Kniebeugen, Kniebeugen. Wieder und immer wieder. Nur so kommt man voran, Schritt für Schritt.

Mal, Stichwort Lebensschule, gibt es Rückschläge, mal hat man besonders gute Tage. Und wenn man einen schlechten hat, gibt es keine Ausreden. Dann lässt sich die Schuld nicht bei einem Mitspieler finden, man kämpft ja vor allem mit und gegen sich selbst. In allen drei Disziplinen, Versuch für Versuch.

Es gibt sehr viele Einzelkämpfer – einige haben auch einen eigenen Trainingsraum

Weil der Dreikampf ein Einzel- und kein Mannschaftssport ist, beschränkt sich das Vereinsleben in Lohr auf ein Minimum. Hin und wieder laufe man sich zwar hier im Fitnessstudio über den Weg, erklärt Herteux – meist trainiere man aber für sich. Nur vor Wettkämpfen, mit einem bestimmten Ziel vor Augen, kommen alle regelmäßig zusammen, um sich gemeinsam und gezielt vorzubereiten. „Es gibt extrem viele Einzelkämpfer. Die meisten trainieren am liebsten und auch am besten alleine“, sagt Herteux.

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